Einleitung
Für die pharmazeutische Verarbeitung der Mistel zu einem Heilmittel können die Zeitpunkte der Ernte ihrer Organe von großer Bedeutung sein, weil sich die Substanzkomposition ändert. Proteine, Viscotoxine, Polysaccharide und Vesikel in vegetativen Organen zeigen im Sommer maximale Werte, während Lipide und Lektine in generativen Organen im Winter angereichert werden (Scheffler, 1996, Schrader-Fischer und Apel, 1993). Deshalb ist ein definierter Erntezeitpunkt zu bestimmten Stadien der Entwicklung der Mistelorgane nötig. Untersuchungen der Chronobiologie der Mistel sollen helfen, diese Entwicklungsstadien exakt kennen zu lernen und die Ernte dadurch zu standardisieren.
Hierbei sind die heterochronen Organbildungen mit sowohl beschleunigten als auch verlangsamten Entwicklungsprozessen zu berücksichtigen, durch welche die Mistel zu ihrer antizyklischen Zeitgestalt im Jahreslauf kommt. Diese heterochronen Organbildungen werden durch nahezu synchrone Meristemdifferenzierung in vegetative und generative Primordien eingeleitet, aus denen sich die Gabelsprosse entwickeln (Göbel 1994, Dorka 1996a, 1998). Mit dieser Blüteninduktion treten Pendelbewegungen (Nutationen) auf (Dorka 1996 b).
Diese Nutationsbewegungen wurden in Klimakammern untersucht, um zu sehen, ob sie von einem endogenen Rhythmus kontrolliert werden und ob ihre Periodenlängen von der Temperatur abhängen (Dorka und Hellrung 2001). Wir vermuteten, daß bei diesen Prozeßen Methyljasmonat beziehungsweise Vorstufen wie Jasmonsäure beteiligt sind.
Material und Methoden
Viscum album L. wächst auf Apfelwirtsbäumen in Containerkultur.
Sie werden während der Nutationsbewegungen von Mai bis Ende Juli in Konstanträumen gehalten. Mit speziell dafür entwickelten Computer-Systemen werden die Bewegungen mit digitaler Zeitraffer-Bilderfassung registriert und analysiert. Die Daten werden dann einer Fourieranalyse unterzogen. Die Differenzierung der Meristeme und die Entwicklung der Organe wird histologisch mit dem Lichtmikroskop untersucht. Die Jasmonate werden aus Freilandproben mit GC-MS analysiert.
Ergebnis
Die heterochrone Entwicklung der Gabelsprosse:
Mit dem ersten Blühimpuls geht der juvenile monopodiale negativ gravitrope Habitus der Mistel in die "Scheindichotomie" der adulten Pflanze über. Bei dieser Umstimmung zeigen die jeweils neu gebildeten Gabelsprosse während ihres Entfaltungswachstums nach einer zunächst negativ gravitropen Phase rhythmische Nutationsbewegungen, die zu der typischen Kugelgestalt der Mistel führen. Die Differenzierung der Bildungsgewebe in vegetative und generative Organanlagen erfolgt nahezu synchron. Damit wird eine heterochrone Organbildung eingeleitet.
1. In der ersten Vegetationsperiode differenziert sich das Meristem synchron in vegetative und generative Primordien; dies ist im histologischen Schnitt durch die Muldenbildung zu erkennen (Abb. 1, Bild 1, siehe Dorka 1996).
2. Bis zum Herbst sind die Laubblattanlagen und die von ihnen umhüllten Blütenanlagen bereits stark ausdifferenziert. Präpariert man das um eine Generation ältere Laubblatt ab, sind sie sehr gut sichtbar (Abb.1, Bild 2).
3. Diese Gabelsprossanlage entfaltet sich während der nächsten Vegetationsperiode und zeigt im Frühjahr zunächst ein negativ gravitropes Wachstum (Abb.1, Bild 3).
4. Diesem folgt eine vier- bis fünfwöchige Phase von Nutationsbewegungen ( Abb.1, Bild 4).
5. Bis zum Oktober entwickeln sich streng zweigeschlechtliche Blütenorgane mit reifen Pollen im Zweikernstadium und reifen Embryosäcken (Abb.1, Bild 5).
6. Im Vergleich zu anderen Pflanzen, die dieses Stadium typischerweise erst wenige Tage oder Wochen vor ihrem Blühen erreichen, tritt diese Reife bei der Mistel äußerst früh auf. Sie blüht jedoch meistens erst im Januar oder Februar (Abb.1,Bild 6).
7. Nach der Befruchtung wird es nahezu ein Jahr dauern, bis die Früchte völlig ausgereift sind (Abb.1, Bild 7 und 8); oft sind die Scheinbeeren noch im Sommer des folgenden Jahres anzutreffen.
Hier Beispiel für die Bilderfassung (eine kleine Animation) in unseren Klimakammer zu sehen hier: